In einer der Ecken der Küche war so eine kleine beschützende Ecke, weil da auch der Kamin-Schornstein lang lief. Da stellte ich mich oft rein und weinte und weinte und das Weinen fand gar kein Ende mehr.

Warum, mein lieber Gott? Warum? Wie konntest du das zulassen?

Und es dauerte (wie man mir in der Selbsthilfe-Gruppe für Eltern, deren Kind sich umgebracht hatte, in aller Ehrlichkeit angekündigt hatte) Tage und Wochen und Monate. Und Jahre.

Es wird doch aufhören, oder? bettelte ich die Frau an jenem Abend an, als mich die Polizei ins Krankenhaus gebracht hatte, damit ich nicht mitansehen mußte, wie sie meinen geliebten Sohnemann tot aus dem Haus tragen. Aber die Frau sagte: Nein, es wird nie wieder aufhören. Ich bin ehrlich zu Ihnen, es wird niemals wieder aufhören.

Woher wollen Sie das denn wissen?

Sie hatte auch ihren Sohn durch Selbstmord verloren. Ja, sie hatte sogar ihren zweiten Sohn durch Selbstmord verloren. Sie wußte, wovon sie sprach. Und ich wußte nicht, wie ich das jemals ertragen sollte. Es tut so unvorstellbar weh.

Schauen Sie mich an, sagte sie. Ich bin ehrlich zu Ihnen, sagte Sie. Der Schmerz und die Verzweiflung werden niemals wieder aufhören. Aber genauso ehrlich sage ich Ihnen, daß es immer weniger heftig wird. Es wird immer weniger schlimm, auch wenn es niemals wieder aufhören wird.

Bringen sich denn alle um?

Und die Polizei-Kaplanin, die man gerufen hatte, erzählte, daß auch jetzt, acht Jahre nachdem sie ihr Kind verloren hatte, kein Tag vergeht, an dem sie nicht heulen muß.

Und so kam es dann auch. Ich heulte mich durch all den Schmerz. Ich stand in den Supermärkten, wo ich mit meinem Sohnemann einkaufen war, und dann kamen diese gewaltigen Tsunami-Wellen der völligen Verzweiflung. Und ich suchte mir eine Ecke, wo niemand war, und stand da und heulte mich durch den Schmerz.

Und immer wieder, aber immer seltener, stand ich in der kleinen schützenden Ecke in meiner Küche und weinte. Ja, es wird besser. Es wird weniger schlimm.

„Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten. Weinend gehen sie hinaus und streuen ihre Samen, jubelnd kehren sie zurück, wenn sie die Ernte einholen.“ (Psalm 126, Verse 5-6; Neues Leben Bibelübersetzung)

Und neulich war ich hier in Deutschland in dem Supermarkt, wo mein Sohnemann und ich früher öfters einkaufen waren. Und da fiel mir dieses Salzgebäck-Regal auf. Und ich wußte, ich sollte nicht da hingehen. Aber ich mußte. Geh da doch nicht hin, Nane, sagte es in mir. Geh doch einfach weiter. Aber ich konnte nicht. Und so stand ich da vor diesem blöden Regal mit dem Salzgebäck.

Ich kann nicht auf dich gucken, Jesus. Ich muß in den Schmerz gucken

Guck doch auf mich, sagte Jesus. Aber ich kann jetzt nicht auf dich gucken. Und so guckte ich in den Schmerz. Und da waren diese Erinnerungen, als ich meinem kleinen Bubi-Mann sagte: Hol uns noch schnell diese leckeren dicken Salzstangen. Und dann ging er los und holte sie und brachte sie zurück in unseren Einkaufswagen. Und dann kam wieder das Geheule und das Weinen und das Nicht-Verstehen und das Nicht-Begreifen. Und da stand ich also neun Jahre, nachdem ich die Tür zu seinem Zimmer aufgemacht hatte, und ihn da auf dem Boden mit zerschossenem Schädel liegen sah, vor diesem blöden Supermarkt-Regal und weinte. Und die Leute guckten. Aber das kann man ohnehin niemandem erklären, wer das nicht selber durchgemacht hat.

Guck Papa, sagte mein geliebter Bubimann, und legte stolz über seinen Einkauf die dicken Salzstangen (die hießen Seppl) in den Einkaufswagen.
Lecker, sagte ich, du bist mir auch ein Seppl.
Ich bin nicht Seppl.
Natürlich nicht, du bist mein Bubimann, gut gemacht, ehe mich die gewaltige Trauerwelle unter sich begrub. Und ich wußte, ich würde nicht rausschwimmen können, sondern mußte einfach warten, bis all die verzweifelnde Hoffnungslosigkeit mich wieder freigab.

Am Abend sagte ich zu meinem Gott: Wieso hört das nicht auf? Wieso beutelt es mich immer wieder? Das muß doch einfach mal aufhören.

Und mein Gott erinnerte mich daran, was ich einen Tag vorher hier bei KTNJ geschrieben hatte, als Paulus sich bei ihm beschwerte und wollte, daß Gott den Satansboten wegnimmt, der ihn immer schlägt: „doch er (d.h. der Herr) hat zu mir gesagt: »Meine Gnade ist für dich genügend (= muß dir genügen), denn meine Kraft gelangt in der Schwachheit zur Vollendung (= zu voller Auswirkung).«“ (2. Korinther 12:9; Menge Bibel)

Ich weiß, mein gewaltiger Gott, ich weiß. Aber es tut manchmal so weh.
Ich weiß, mein geliebter Jürgensen, ich weiß, aber ich bin da für dich.
Wir beide machen schon was durch.
Aber doch schön mit mir, oder?
Oh mein Gott, du bist so unfaßbar herrlich und größer als jeder Schmerz.

„und wird alle Tränen aus ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, und keine Trauer, kein Klaggeschrei und kein Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Offenbarung 21:4)

Und dann schrieb mir eine Frau, die ihren Liebsten durch Tod verloren hatte. Und in ihrer eMail führte sie das genaue Todesdatum auf (obwohl schon vier Monate her), und ich dachte: Ja, ich wußte auch lange Zeit das Datum, den Tag, die Uhrzeit. Und dann vor zwei Jahren hatte ich noch nicht mal dran gedacht (erst als mich jemand an dem Tag auf meinen toten Sohnemann ansprach). Es wird niemals wirklich weggehen. Aber es wird immer weniger heftig.

Welche Traurigkeit und Verzweiflung schüttelt Sie?

Also Sie da, vor diesem Bildschirm, welche Traurigkeit, welches Trauma Sie auch schütteln mag, es wird besser. Es wird niemals ganz weggehen, aber es wird besser.

Und dies ist Ihre herrliche Gewißheit: „und wird alle Tränen aus ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, und keine Trauer, kein Klaggeschrei und kein Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Offenbarung 21:4) Ihnen zugesagt von Ihrem herrlichen, herrlichen, herrlichen himmlischen Vater.

Und wenn Sie weinen müssen, dann weinen Sie. Ihr Sie über alles liebender Gott ist da und wartet, bis Sie sich wieder ihm zuwenden.

Legen Sie also Ihre Trauer vor seine Füße. Legen Sie Ihre Verzweiflung vor seine Füße. Legen Sie Ihre Hoffnungslosigkeit vor seine Füße. Hier, sagen Sie ihm, nimm du es, ich kann und will es nicht mehr haben. Prima, sagt dann Ihr himmlischer Vater, ich nehme es gerne und helfe dir. Merkst du schon, wie es besser wird? Und Sie sagen dann: Nein, es wird nicht besser. Ach komm, sagt dann Ihr Sie über alles liebender himmlischer Vater, so ein bißchen wird es schon besser, oder? Ja, sagen Sie. So ein bißchen. Na siehste, sagt Ihr himmlischer Vater, und du wirst es sehen, es wird alles wieder gut, mehr als gut für dich.

Das ist Ihr Jesus: „Dann stand er auf und bedrohte die Winde und den See; da trat völlige Windstille ein.“ (Matthäus 8:26) • Der Sturm ist vorbei. Haben Sie gehört, Sie traurige Frau, Sie verzweifelter Mann, der Sturm ist vorbei.

Und wenn es nicht mehr geht? Dann knien Sie nieder und lassen sich helfen

“Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; habe keine Angst, denn ich bin dein Gott. Ich helfe dir, ja, ich mache dich stark, ja, ich halte dich mit meiner hilfreichen Rechten.” (Gott in Jesaja 41:10)