Reden Sie darüber, sagte die Frau aus der Selbsthilfegruppe. Reden, reden, reden Sie darüber. Und wenn die Leute, mit denen Sie über den Selbstmord Ihres Sohnes reden, es nicht mehr hören können, dann suchen Sie sich neue Leute und reden. – Ja, die Frau hat recht.

Es tut gut über seinen Schmerz und seine Trauer zu reden. Ich weiß noch, am Anfang saß ich mit der Trauerbegleiterin immer nur da und weinte und wenn ich was sagte, dann war es: Ich will ihn wiederhaben; ich will meinen Sohn zurückhaben. Und die Frau nahm mich schweigend in den Arm. Was sollte sie auch sagen? Aber es tat gut.

Als mein Vater gestorben war, telefonierten meine traurige Mutter und ich jeden Tag. Soweit ich mich entsinne, ging das an die zwei Jahre lang. Ich konnte ihr nicht helfen, aber ich konnte ihr zuhören. Und das war genug.

Je mehr Sie jemanden geliebt haben, den Sie durch Tod verloren haben, desto schlimmer ist der Schmerz und die Trauer. Und das ist ok. In Ordnung ist aber auch, daß Sie nicht endlos in den trauernden Schmerz fallen. Sie sollen ja nicht vergessen, wen Sie verloren haben. Sie sollen ja nichts verdrängen oder verleugnen. Sie sollen aber rausfinden aus permanenter Traurigkeit. Gott und Jesus wollen Sie auch lachen sehen. Sie können sich das im Moment nicht vorstellen? Warten Sie ab. Geben Sie sich Zeit. Sie werden wieder lachen. Sie werden immer wieder mal noch weinen; aber Sie werden auch wieder lachen! Versprochen? Versprochen!

Es ist Ihre Trauer

Wie lange Sie trauern, das bestimmen nur Sie. Das entscheiden nur Sie. Das ist Ihre Trauer. Sie gehen mit ihr um. Niemand sonst. Keine gesellschaftliche Konvention.

Als mein Sohn gerade ein paar Stunden tot war, sprach ich mit einer Polizeipfarrerin. Die erzählte mir seinerzeit, daß sie, die ihre Tochter verloren hatte, noch 8 Jahre später keinen Tag hat, an dem sie nicht ins Heulen fällt. Konnte ich mir damals nicht vorstellen. Aber 5 Jahre nach dem Selbstmord meines geliebten Sohnemannes ging es mir ähnlich. Und 9 Jahre später war auch der Schmerz manchmal so heftig, daß ich weinen mußte (Und wenn ich in der Ecke stehe und weine).

Es hört niemals auf. Aber es wird weniger heftig. Und das Allerwichtigste: wir haben unseren uns tröstenden Gott:

„Der HERR ist nahe den zerbrochenen Herzen, hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind.“ (Psalm 34, Vers 19; Menge Bibel)

Alles hat seine Zeit: „Jegliches Ding hat seine Zeit und alles Vornehmen unter dem Himmel seine Stunde. Das Geborenwerden hat seine Zeit und ebenso das Sterben; das Pflanzen hat seine Zeit und ebenso das Ausraufen des Gepflanzten; das Töten (oder: Zerstören) hat seine Zeit und ebenso das Heilen; das Einreißen hat seine Zeit und ebenso das Aufbauen; das Weinen hat seine Zeit und ebenso das Lachen; das Klagen (oder: Trauern) hat seine Zeit und ebenso das Tanzen“ (Prediger Kapitel 3, Verse 1-4; Menge Bibel)

In Stein gemeißelt

Am Anfang hatte ich kein Geld für einen Grabstein. Aber als ich dann nach etlicher Zeit wieder Geld hatte, habe ich den Grabstein doch noch Jahre vor mir her geschoben. 10 lange Jahre. Erst nach 10 Jahren war ich innerlich so weit, daß ich die Tatsache des Todes von meinem geliebten Sohnemann buchstäblich in Stein meißeln lassen konnte. Ja, er ist tot; er ist nicht mehr da. Schwarz auf weiß, für immer in Stein gemeißelt.