Luxor / Frankfurt am Main (12. Juni 2013) – Eine 24-jährige koptische Grundschullehrerin ist am gestrigen Dienstag wegen angeblicher Blasphemie zu einer beispiellos hohen Geldstrafe von 100.000 Ägyptischen Pfund (rund 10.000 Euro) verurteilt worden. Nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat das Gericht im oberägyptischen Luxor „sowohl während des Verfahrens als auch im Strafmaß das ägyptische Recht grob missachtet“. Nach Einschätzung der IGFM sei dies beispielhaft dafür, in welchem Ausmaß sich die regierenden Muslimbrüder bereits die ägyptische Justiz unterworfen hätten und sich über bestehende Gesetze hinweg setzen.
Die verurteilte koptische Grundschullehrerin Demiana Ebeid Abdelnour ist nach Art. 171 des ägyptischen Strafrechts verurteilt worden, der ein Strafmaß von „100 bis 500 Ägyptischen Pfund oder Gefängnis“ ermögliche, so die IGFM. „Ein mittleres Monatseinkommen liegt in Ägypten bei etwa 500 bis 1.000 Ägyptischen Pfund. 100.000 Pfund sind nach örtlichen Maßstäben eine exorbitant hohe Summe“, erläutert IGFM Vorstandssprecher Martin Lessenthin.
Die Lehrerin selbst war während der Verhandlung nicht anwesend und befindet sich gegenwärtig noch auf Kaution auf freiem Fuß. Einer ihrer Anwälte erklärte gegenüber der IGFM, dass Ebeid Abdelnour in Berufung gehen wolle. Die IGFM betonte, dass die Zahl der Anklagen und Prozesse wegen angeblicher Gotteslästerung sprunghaft gestiegen sei. Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) berichtet, gab es unter dem ehemaligen Diktator Mubarak pro Jahr im Schnitt ein bis zwei Blasphemie-Prozesse. Mit der Machtübernahme der Muslimbrüder seien Blasphemie-Vorwürfe von einem Randphänomen zu einem Machtmittel geworden, so die IGFM.
Entlastungszeugen nicht zugelassen
Die 24-jährige koptische Grundschullehrerin Demiana Ebeid Abdelnour war von drei Schülern einer Grundschule in Luxor beschuldigt worden, in ihrem Unterricht über die Geschichte der Weltreligionen den Islam und den Propheten Mohammed beleidigt zu haben. Die Grundschullehrerin wurde nach Angaben der IGFM vom Unterricht suspendiert und musste sich zunächst vor drei Untersuchungsausschüssen verantworten. Die Eltern der drei Schüler warfen ihr vor, den ehemaligen koptischen Papst Schenouda mit dem Propheten Mohammed verglichen zu haben und jedes Mal, wenn sie den Namen Mohammed erwähnte, ihre Hand auf ihren Magen oder ihren Hals zu legen. Sie wies alle Vorwürfe zurück und wurde von allen Untersuchungsausschüssen freigesprochen.
Medhat Klada, der Vorsitzende der European Union of Coptic Organizations for Human Rights (EUCOHR), beklagte gegenüber der IGFM die offenkundige Diskriminierung während des Verfahrens: „Es wurden nur jene Schüler als Zeugen gehört, die gegen Demiana aussagten. Muslimische Schüler, deren Aussage Demiana entlastet hätte, wurden nicht angehört“, so Klada.
IGFM plädiert für Abschaffung von Blasphemiegesetzen
„Der IGFM werden immer wieder Fälle von unrechtmäßigen Blasphemievorwürfen und folgenden Übergriffen gemeldet. Opfer sind besonders häufig Angehörige religiöser Minderheiten, insbesondere Christen“, so IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin. „Da in der Praxis nur eine einzige Religion gegen Blasphemie geschützt wird und vor allem, weil Blasphemiegesetze oft missbraucht werden, sollten sie ganz abgeschafft werden.“
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